Seilers Werbeblog, 15. März 2015

DIE VORZEIGEWERBERIN.

1999 wurde Danielle Lanz als bisher jüngste Preisträgerin zur Werberin des Jahres gewählt. Im Jahr 2001 gründete Sie zusammen mit ihrem Kreativpartner Markus Ruf die Agentur Ruf Lanz. Diese entwickelte sich in kurzer Zeit zu einer der kreativsten Adressen der Schweizer Kommunikationswirtschaft. Ruf Lanz betreut Kunden wie die Schweizer Milchproduzenten (die Kampagne mit der munteren Kuh), die VBZ, die Suva, die Bank Coop, die Migros (Delizio-Kaffee), das vegetarische Gastro-Unternehmen Hiltl u. v. a.

Die Werbebranche, vor allem die Spitzenpositionen werden vielfach von Männern besetzt. Als ich mich auf dieses Interview vorbereitet habe, wurde mir bewusst, wie extrem es tatsächlich ist. Was denken Sie, sind die Gründe dafür? In der Werbung verhält es sich nicht anders als in anderen Branchen. Ob man eine Spitzenposition erreicht, entscheidet sich in den Jahren zwischen 25 und 40. Und hängt davon ab, ob man einen grossen Teil dieser Jahre voll auf den Beruf fokussieren kann und will. In dieser Zeit werden Frauen vor die Kinderfrage gestellt. Entscheiden sie sich für eine Familie, so macht dies ein totales Fokussieren auf den Beruf meist schwieriger als für den Mann.

Frauen entscheiden häufig, was eingekauft wird; sie beeinflussen die Männer zum Teil stark in deren Kaufabsichten. Mit dem Hintergrund, dass die Frauen häufig die Entscheidungsträgerinnen sind: Müssten die Frauen nicht viel stärker in der Werbebranche vertreten sein?

Es ist ein Irrglauben, dass man als Frau die Zielgruppe Frau besser ansprechen kann. Man muss auch kein Vegetarier sein, um gute Werbung fürs Hiltl zu machen. Oder acht Jahre alt sein, um eine gute Kampagne fürs Kinderüberraschungs-Ei zu erfinden. Als guter Werber oder eben als gute Werberin muss man sich in jede Zielgruppe reindenken können. Das Talent des Werbers spielt eine viel grössere Rolle als sein Geschlecht.



Gibt es eine Frau, welche Sie beeinflusst hat? Oder gibt es sonst eine Person, welche Sie in Ihrer Kreativität inspiriert hat?

Ich hatte Glück. Die Kreativität wurde mir in die Wiege gelegt. Wenn ich Buntstifte und Papier hatte, war ich glücklich. Ich war schon im Kindergarten nicht vom Zeichentischchen wegzukriegen und verweigerte strikt die Puppenecke. Die besorgniserregende Diagnose des Schulpsychologen lautete: Einseitig begabt.



Mussten Sie sich damals, als Sie sich für eine Karriere in der Werbebranche entschieden haben, mehr als Ihre männlichen Kollegen beweisen?

Ich habe meine Energie voll auf die Arbeit gerichtet. Hätte es wirklich Ungerechtigkeiten gegeben, weil ich eine Frau bin, hätte ich sie wohl gar nicht bemerkt.

Was waren überhaupt die Gründe, dass Sie sich für das Unternehmertum entschieden haben?

Eine Trotzreaktion und Markus Ruf.

Nach der Wahl zur Werberin des Jahres hatte ich das Angebot, mich an einer Werbeagentur zu beteiligen. Das finanzielle Angebot war nicht sonderlich interessant. Ich verlangte Nachbesserung. Anstatt einem attraktiveren Angebot sagte man mir, dass Angebot sei gut – und im übrigen würde ich es sowieso nicht schaffen, eine eigene Agentur zu gründen.

Das hat wohl eine Art Trotzreaktion und einen Denkprozess in mir ausgelöst. Auf jeden Fall habe ich plötzlich in Betracht gezogen, eine eigene Agentur zu gründen. Der glückliche Zufall wollte es, dass mein Geschäftspartner Markus Ruf nach acht erfolgreichen Jahren als freier Creative Director ebenfalls mit dem Gedanken spielte, eine eigene Agentur zu gründen. Nach zwei kontemplativen Spaziergängen um den Rieterpark war klar: Wir wollten Ruf Lanz gründen.

Ruf Lanz könnte sicherlich um einiges grösser sein, Sie beide möchten das aber nicht. Warum ist die jetzige Grösse die Richtige für Ihre Agentur?



Markus und ich wollen nach wie vor die Handschrift der Agentur prägen und neben den unternehmerischen Aufgaben auch wirklich kreativ mitarbeiten können. Das ist nur bis zu einer gewissen Grösse machbar. Je grösser eine Agentur wird, desto mehr Kompromisse muss sie zudem machen. Die kreative Qualität aber ist unser Markenzeichen. Wer in der heutigen Reizüberflutung nicht kreativ überrascht, wird schlicht nicht mehr wahrgenommen. Dieses Schicksal möchten wir unseren Auftraggebern gerne ersparen. Dieser klare Fokus und das persönliche Involvement von Markus und mir sind einer der Hauptgründe, warum viele grosse, namhafte Kunden Ruf Lanz seit vielen Jahren die Treue halten.

Gehen Sie immer noch täglich zu Sprüngli, um Ihre Dosis «Fitness» und «Kreativität» zu konsumieren?

Ja, ich gehöre bei Sprüngli mittlerweile zum Inventar.

Sie und Herr Ruf scheinen sich perfekt zu ergänzen. Wie kann man sich die Zusammenarbeit zwischen ihnen vorstellen? Entwickelt jeder seine Ideen und die beste wird dann dem Kunden präsentiert?

Wir haben die kreative Leitung der Kunden aufgeteilt: Markus ist z. B. Mr. VBZ und Mr. Suva, ich bin z. B. Miss Milch oder Miss Delizio. Natürlich wissen wir immer, was der andere tut und haben auch gegenseitig ein Vetorecht, wenn wir finden, dass was in die falsche Richtung läuft. Aber ehrlich gesagt: Vom Vetorecht mussten wir noch nie Gebrauch machen.



Fliegen zwischen Ihnen und Markus Ruf auch einmal die Fetzen? Gleicher Meinung werden auch Sie nicht immer sein?

Markus und ich kennen uns jetzt seit mehr als 20 Jahren und arbeiten seit bald 20 Jahren zusammen. Zudem waren wir vor der Agenturgründung mal 6 Jahre lang ein Paar. Da weiss man, was man hat. Natürlich fliegen trotzdem mal die Fetzen. Das liegt dann aber eher an einem Kommunikationsproblem als an einem inhaltlichen. Mann und Frau ticken halt manchmal unterschiedlich. Zuviel Harmonie ertragen weder Markus noch ich.

Was war bisher Ihr Karriere-Highlight? Gibt es auch ein Erlebnis, auf welches Sie gerne verzichtet hätten?

Die Freude über die allerersten grossen erfolgreichen Kampagnen war besonders schön, weil sie eben neu war. Als blutjunge AD war ich an der preisgekrönten Relax-Kampagne der Zurich-Versicherung beteiligt, sowohl konzeptionell wie in der Execution. Für die Umsetzung konnten wir den renommierten Fotografen Peter Lavery gewinnen. Weil mir die Bilder sehr wichtig waren, stieg ich mit ihm fürs Fotoshooting in ein Löwenkäfig, weil mich die blöden Gitterstäbe störten bei der Supervision.

Verzichtet hätte ich dagegen gerne auf die roten Zahlen, die wir in den ersten eineinhalb Jahren der Agenturgründung geschrieben haben. Drei Monate nach der Agentureröffnung passierten die Terroranschläge von 9/11, danach wurden viele geplante Budgets storniert, weil die Welt sich plötzlich anders drehte. Das Gute an der Situation sahen wir erst nachträglich: Wer als Startup in eine solche Situation gerät, lernt notgedrungen wirtschaftlich zu denken – oder geht unter. Ohne die roten Zahlen am Anfang wären wir heute viel schlechtere Unternehmer.

Gibt es Dinge, die Sie nachträglich anders machen würden?

Ich hätte die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die heute bei uns eingestellt sind, gerne schon seit 14 Jahren bei uns. Das Team passt fachlich und menschlich perfekt.

Die Agentur gehört Ihnen und Markus Ruf. Sie sind Unternehmerin und zeitgleich Künstlerin. Hantieren Sie gerne mit Zahlen und anderen Business-Angelegenheiten? Oder sind Sie intern so aufgestellt, dass Sie sich hauptsächlich auf die kreative Arbeit konzentrieren können?

Wir waren von Beginn an so organisiert, dass genügend Zeit für die kreative Arbeit bleibt. Denn diese ist der Grund, dass viele grosse Auftraggeber zu uns kommen – und bleiben. Martin Suter hat uns beim Start der Agentur einen guten Tipp gegeben: Macht das, was ihr am besten könnt, und stellt für das andere die richtigen Leute ein. Daran haben wir uns gehalten. Seit der Agenturgründung haben wir eine Geschäftsleitung Beratung eingestellt. Tanja Felix, die diese Position heute bei uns innehat, entlastet uns sehr.

Gibt es die Angst einer inneren Blockade? Oder ist Ihre Kreativität nicht mal im Ansatz ausgeschöpft?

Natürlich gibt es bessere und schlechtere Tage fürs Konzepten. Man ist schliesslich keine Maschine. Aber die guten Tage sind immer noch weit zahlreicher als die anderen.

In einem Interview für die Bilanz (2007) ist zu lesen, dass Herr Ruf Sie als eine Mischung aus Audrey Hepburn und Maggie Thatcher beschreibt. Das Interview ist schon ein paar Jahre alt. Wie sehen Sie diese Aussage heute?

Ich bin mir selber gegenüber wohl nicht obiektiv genug, um diese Frage zu beantworten. Und Markus ist und bleibt ein Freund pointierter Formulierungen.



Sie haben damals im Bilanz-Interview gesagt, dass Sie ganz genau wissen, was Sie möchten. Eine gute Charaktereigenschaft wie ich finde, oder?

Als Unternehmerin muss man täglich Entscheidungen treffen. Für die Entscheidungsfindung ist es wesentlich effizienter, wenn man weiss, was man will.

In unserer Branche ist die Beobachtung ein Muss: neue Trends, die Arbeit der Konkurrenz, neue Produkte und vieles mehr. Gibt es eine Arbeit oder ein Produkt, das Sie in letzter Zeit vollends überzeugen konnte?

Die neue Grand Cru Schokolade aus Kuba von Sprüngli.

Vor drei Jahren haben Sie geheiratet und heissen seitdem Knecht. Der Name Lanz ist mittlerweile selbst zu einer Marke geworden. Wie handhaben Sie es mit den beiden Nachnamen?

Es war eine romantische Entscheidung, den Namen meines Ehemannes anzunehmen. Markus und ich waren uns aber schnell einig, dass die Agentur weiterhin Ruf Lanz heissen soll. Ruf Knecht hätte etwas devot geklungen.

Trotz Ihres jungen Alters haben Sie bereits viel erreicht. Haben Sie vor, weiterhin Vollgas zu geben oder verspüren Sie hie und da den Wunsch ein wenig kürzer zu treten?

Es macht mir immer noch Spass, jeden Tag zur Arbeit zu gehen und mich reinzuknien. Wenn das mal nicht mehr so ist, werde ich es schnell ändern.

 

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