Werbewoche, 18. Januar 2001

VOM AUSGEZEICHNETEN RUF.

Mit Markus Ruf wird erstmals ein Freelancer Werber des Jahres.

Rund 15 Jahre nach seinem Einstieg in die Werbung und nach über 250 Auszeichnungen, darunter zahlreichen internationalen, wird Markus Ruf mit den Titel Werber des Jahres 2000 geehrt. Selbst die Sterne stehen für den Freelance-Konzepter dieses Jahr richtig. «Für viele Löwen wird das 2001 ein super Jahr», prophezeite Promipostillen-Astrologin Elisabeth Tessier in ihrem Jahreshoroskop.

Zum Titelgewinn benötigte Markus Ruf allerdings keine astrologische Konstellationshilfe. Sein sehr deutlicher Vorsprung spiegelte sich schon in der Begründung des Nominationsgremiums: «Ruf hätte den Preis für seine aussergewöhnlich kreativen Leistungen eigentlich längst verdient», lautete die Meinung ehemaliger Werberinnen und Werber des Jahres.

Ein mehr als gerechtfertigtes Votum. Wer nämlich die Indizes der letzten zehn ADC Jahrbücher studiert, stellt fest, dass Rufs Name mit beständiger Häufigkeit unter den prämierten Machern erscheint.

Im Unterschied zu den meisten anderen aber füllt die Anzahl der Nennungen seiner Auszeichnungen jeweils drei bis vier Zeilen. Nach den Stationen bei Grendene + Lanz, Advico, Publicis und GGK machte sich der Kreative 1994 selbständig und konzipierte seither Kampagnen für rund 20 Agenturen. Am meisten für Ruedi Wyler Werbung, Guye & Partner sowie Publicis. Mit der Wahl zum Werber des Jahres 2000 empfängt er den Egon der WerbeWoche, und kann danach seelenruhig seine schon respektable Trophäensammlung weiter vervollständigen.

 

Ein Werber und ein Gentleman

Der beruflich polygame Freelance-Konzepter Markus Ruf ist Werber des Jahres 2000

Von Luca Aloisi

«Mein berufliches Vorbild ist das Trüffelschwein. Ich wühle mich bei der Arbeit gerne tief ins Thema ein, um an die schönsten Knollen, respektive Ideen zu kommen», erklärt Markus Ruf seinen Erfolg. Sein sicherer Riecher für das gute Konzept wurde unzählige Male vergoldet. Mit der Wahl zum Werber des Jahres 2000 empfängt er eine Auszeichnung, die ihm gerade noch gefehlt hat – der Egon der WerbeWoche.

Natürlich freut sich Markus Ruf über den ehrenhaften Titel. Seine Bescheidenheit lässt diese Regung nur unterschwellig zu – der Kavalier geniesst und schweigt. Gegen das Etikett eines Awards-Absahners der Branche wehrt er sich entschieden: «Ich sehe Preise als Folge der Arbeit, die mir Spass macht. Ein solcher Preis ist eine schöne Anerkennung von Branchenleuten und sehr schmeichelhaft. Aber man setzt sich hin, um eine gute Arbeit zu machen. Nicht, um einen Award zu gewinnen.»

Wer Ruf kennt, weiss, dass der feingliedrige 37-jährige Freelance-Konzepter dies auch sagt, weil ihn der Personenkult in der Branche eher belustigt. Understatement und Eigenständigkeit charakterisieren sein Ich, entgegen der affektierten Blasiertheit und Selbstgefälligkeit, der man in der selbstverliebten Werbewelt öfter begegnet, als einem lieb sein kann.

Seine Zurückhaltung ist nicht eingeübt, seine Stilsicherheit nicht aufgesetzt. Ruf weiss, was er will. Distinguiert wie ein Gentleman, zuvorkommend und liebenswürdig – sein Herz aber trägt er auf der Zunge und fällt nicht selten durch pointierte Äusserungen auf. Diese Ungezwungenheit verdankt er nicht zuletzt der angenehmen Situation, dass er als selbständiger Konzepter, der polygam für mehrere Agenturen arbeitet, niemanden Rechenschaft schuldig ist.

Schönreden und Angepasstheit gehören nicht zu seinem Verhaltensrepertoire. Selbstkritisch bemerkt er: «Ich kann ziemlich sarkastisch sein und als Diplomat hätte ich wohl nur in Berlin Karriere gemacht.» Gerade wegen seiner Selbstironie und seiner Fairness wird er von Branchenkollegen wie Ruedi Wyler, Danielle Lanz oder Markus Gut geschätzt – beruflich vor allem aber wegen seiner Professionalität, dem Sinn für gute Ideen und seiner Originalität.

Rufs Handschrift ist oft konzeptionell, seine Umsetzungen sind ungewöhnlich. Augenzwinkernde Elemente linguistischer und visueller Art, das anregende Spiel mit dem Mehrdeutigen und oft mit dem Werbeträger selbst, der gelegentlich respektlose Witz und der sprühende Einfallsreichtum ergeben eine optische und intellektuell höchst geniessbare Mixtur, der sich der Betrachter nicht entziehen kann.

Gefragt nach seinem Erfolgsrezept, gibt er schmunzelnd zurück: «Wenn es das gäbe, würde ich es sicher nicht verraten und mir selbst meinen Markt abgraben.» Einzig über seine Arbeitstechnik gibt er bereitwillig Auskunft: Grundsätzlich schreibt er alles auf, was ihm assoziativ zum Thema in den Sinn kommt. Inspiration habe viel mit Transpiration zu tun. «Ich sitze im Büro und fülle Dutzende von weissen Blättern – oft auch mit Unsinn.»

Im Unterschied zu gewissen Handwerksystematiken, die erlernbar sind, gibt es für Ruf keinen sicheren Weg zur phantastischen Idee. Dazu benötigt man Instinkt, Biss und immer auch eine Portion Glück. Allgemein stellt er einen Trend in seiner Branche fest: Die Konzepter schreiben heute viel weniger als früher. Viel mehr suchen sie nach visuellen Analogien, mit denen sich die Werbebotschaft oft schneller und überraschender transportieren lässt.

«Schöne Beispiele dafür sind auch die Nico Jahrbuchkampagne von Claude Catsky, die Hakle-Anzeige ‹Waage› von Advico Young & Rubicam oder die virenbefallenen Computer für Open Systems.» Der Werber des Jahres 2000 zieht es ganz Gentlemen vor, die Arbeiten anderer zu loben.

Auch in seinen Äusserlichkeiten weicht Markus Ruf vom Werbeklischee ab. Vom Existentialistenschwarz vieler Werber setzt er sich ab mit Massanzügen aus feinem Tuch und in klassisch englischen Schnitt. Seine Blazers – Rufs einzige sichtbaren Zeugen seines pekuniären Erfolgs – kombiniert er leger zu Jeans. Statussymbolen wie ein Haus mit Seesicht oder PS-starke Autos – die Fahrprüfung schaffte er erst beim dritten Anlauf – zieht der Kreative immaterielle Werte wie die berufliche Unabhängigkeit und Selbstbestimmung vor.

So managt er seit 1994, als er sich als freier Konzepter selbständig machte, nicht nur seine Kundenaufträge, er wählt sie auch selber aus und lehnt sie, wie bisher alle verlockenden CD-Angebote, höflich dankend ab. «Als freier Konzepter beträgt das Verhältnis zwischen kreativer und administrativer Arbeit etwa 95 zu 5 Prozent. Das soll auch so bleiben», sagt Ruf, der sich wenig aus Berufstiteln macht.

«Eine echte Herausforderung, die ich nicht völlig ausschliessen will, wäre, mich mit der eigenen Agentur selbständig zu machen. Aber wenn dies passieren sollte dann müsste es bald geschehen, weil auch ich nicht jünger werde», gibt der Werber des Jahres freimütig zu Protokoll.

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